Volle Tanks und leere Teller

Juni 12, 2008 at 21:06 Hinterlasse einen Kommentar

Von Philipp Matern

Gestern (Mittwoch der 11. Juni) diskutierten in der Stadtbibliothek Münster Andreas Hetzer (Informationsstelle Lateinamerika e. V.), Bärbel Höhn (stellvertretende Fraktionsvorsitzende der grünen Bundestagsfraktion), Roman Herre (FoodFirst Informations- und Aktionsnetzwerk Deutschland e.V.) und Dr. Thomas Forstreuter (Westfälisch-lippischer Landwirtschaftsverband). Anschließend gab es für das Publikum die Möglichkeit, Fragen zu stellen. Ein paar der wichtigsten Aussagen sollen an dieser Stelle dokumentiert werden:

Zunächst hat Andreas Hetzer die wichtigsten Nutzpflanzen für Biokraftstoffe vorgestellt, darunter Raps, Ölpalmen, Sonnenblumen, Rhizinus oder Soja. Er verwies auf die Treibstoffe der 2. Generation, die vor allem aus landwirtschaftlichen Abfallprodukten wie Stroh gewonnen werden sollen, sogenannte BTL-Treibstoffe: Biomass to liquid. Bärbel Höhns Vorschlag zur Nutzpflanzenzertifizierung (s.u.) fand er von der Idee her richtig aber kaum umsetzbar. Im Moment wären beispielsweise alle aus Südamerika importierten Nutzpflanzen für eine strenge Zertifizierung nicht brauchbar.

Roman Herres vertrat die Position, dass Biokraftstoffe zwar helfen würden, Treibhausgasemissionen einzusparen, aber zugleich für einige Probleme sorgen: Monokulturen, Regenwaldzerstörung, intensive Düngemittelnutzung, extremer Landverbrauch und so Verschärfung der Landkonflikte, Preissteigerungen bei Grundnahrungsmitteln. Nach seinen Angaben liegt der Anteil der Biokraftstoffe an der Preissteigerung derzeit bei 30%. Bei den Agrarsubventionen der EU an andere Staaten forderte er ein Umdenken: Nicht erst fördern und dann später die Probleme regeln sondern erst die Funktionalität einer Maßnahme prüfen.

Dr. Forstreuter hielt zum Teil dagegen: Nicht nur „Tank oder Teller“ sondern beides sei möglich. Der Anteil am Getreideverbrauch, der für Energie verwendet wird, läge derzeit in Europa bei nur 1,5%. Allerdings gebe es auch eine immer größere Nachfrage nach Energie und eine der ersten Maßnahmen müsse das Energie sparen sein. Außerdem müssten Erneuerbare Energien weiter ausgebaut, weiter auf einen breiten Energiemix gesetzt und Bioenergie staatlich gefördert werden. Verbindliche Regeln für energiesparende Neubauten wären beispielsweise ein Punkt, der dringend besser geregelt werden müsste. Er sprach sich dafür aus, dass Landwirte stets völlig unabhängig in ihrer Wahl sein müssten, ob sie nachwachsende Rohstoffe/Energieträger oder Lebensmittel produzieren wollten.

Bärbel Höhn sprach in ihrem Einführungsstatement ebenfalls die Konflikte zwischen Nahrungsmittelproduktion und Kraftstoffproduktion sowie die teilweise gravierenden Folgen für das Ökosystem, die die Produktion von Biokraftstoffen beispielsweise in Südamerika hat. Sie sprach sich daher für ein Zertifizierungssystem für Nutzpflanzen unter sozialökologischen Gesichtspunkten aus. Zudem müssten von Deutschland und der EU wirtschaftliche Anreize für die Exportländer von Biokraftstoffen geliefert werden, die die Einhaltung der Zertifizierungskriterien erleichtern. Sie wies darauf hin, dass jeder Mensch das gleiche Recht auf CO2-Ausstoss habe. Als verträglich gelte ein Ausstoss von 2 Tonnen pro Kopf und Jahr. In Deutschland liege der durchschnittliche Ausstoss aber bei 10 Tonnen CO2 pro Kopf und Jahr. Bärbel Höhn lehnte die von der Bundesregierung präferierte höhere Beimischungsquote von Biokraftstoffen zu herkömmlichen Kraftstoffen ab. Dies führe dazu, dass Großkonzerne auf dem Weltmarkt billig unter fragwürdigen Umständen produzierten Biokraftstoff in großen Mengen einkaufen.

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